Audiophiles Fischauge
Test Zoom Q8 Camcorder
Die japanische Firma Zoom steht für mich für Innovation. Spätestens seit meinem Test des H4N Recorders begeistern mich die Benutzerfreundlichkeit, die Qualität und nicht zuletzt das erfreuliche Preis-Leistungsverhältnis der Zoom Produkte. Deshalb war ich gespannt auf den Q8 Camcorder, der im Januar auf der CES in Las Vergas erstmals vorgestellt worden war.
Das Aussergewöhnliche
Um im grossen Angebotsfeld der aktuellen Camcorder/Actionkameras eine Nische zu finden, muss man Aussergewöhnliches bieten. Zoom hat ihr Audio-Knowhow in einen (weiteren) Weitwinkelcamcorder einfliessen lassen, hat den Q4 nach den User-Wünschen nach oben angepasst.
So entstand der flexiblere Q8, der vor allem auf der Audioseite Aussergewöhliches bietet: Das eigenwillig platzierte Stereomikrofon kann dank dem modularen Anschluss mit allen Zoom Mik Modulen ausgetauscht werden, die für die H5 und H6 Recorder erhältlich sind.
Im
weiteren stehen nun - wie schon beim H4N - zwei symmetrische
Kombi-Eingänge zur Verfügung. Somit kann man, separat zur üblichen
Videodatei, vier Audiokanäle zusammenmischen. Und der Q8 kann auch als
«Nur»-Audiorecorder mit bis zu vier Kanälen verwendet werden.
Doch beginnen wir beim Anfang.
Technischer Überblick
Hier die wichtigsten Eigenschaften des Q8:
Wie in diesem Segment üblich, zeichnet der Q8 auf SD-Karten auf,
wobei SD, SDHC und SDXC Karten bis 128 GB verwendet werden können (ein
Faltblatt, das die «betriebsichersten» Karten auflistet, liegt dem Q8
bei).
Das Fixfokus-Objektiv (36 cm bis ∞) hat eine Lichtstärke von
2.0 und eine Brennweite von umgerechnet 16,6 mm (entspricht einem
Aufnahmewinkel von 160º).
Der Q8 verfügt über einen 5-stufigen Digitalzoom (keinen optischen).
Bildsensor: 1/3" CMOS mit 3 Megapixel.
Video-Auflösungen:
3M HD (2304 x 1296 Px) 30 fps, HD (1080 Pxl) 30 fps, HD (720 Px)
60 fps, HD (720 Px) 30 fps, WVGA 60 fps, WVGA 30 fps.
Videoformat: MPEG-4 AVC / H.264 im mov Container.
Audioformate: WAV (16 oder 24 Bit, 44,1/48/96 kHz), AAC (64 – 320 kbps, 48 kHz)
Display: farbiger 2,7" LCD-Touchscreen
Eingangsbuchsen: Input 1/2: Combo TRS / XLR mit zuschaltbarer, variabler Phantomspeisung.
Anschlüsse: Mini-Stereo-Klinkenbuchse Line Out/Kopfhörer, Mikro-HDMI Typ D, Mini-USB Typ B
Die
Stromversorgung erfolgt über einen Lithium-Ionen-Akku mit 1700 mAh
Kapazität. Der Akku wird über den USB-Anschluss geladen, entweder via
Computer oder separat erhältlichem Netzteil. Als Akkulaufzeit werden
rund 2 h angegeben.
Mitgeliefertes
Zubehör: Abnehmbares X/Y-Stereomikrofon (XYQ-8),
Schaumstoff-Windschutz, Lithium-Ionen-Akku (BT-03), USB-Kabel (1 m),
Adapter für Actioncam-Halterungen, Objektivdeckel, Streulichtblende,
Handschlaufe sowie drei gedruckte Bedienungsanleitungen (D, F, E).
Was
NICHT mitgeliefert wird, ist eine SD-Karte. Es ist also nicht möglich,
nach dem Aufladen des Akkus (volles Aufladen dauert zwischen 2,75
(Netzteil) und 4,5 Stunden (Computer)) gleich loszulegen.
Einsatzideen
Oft hat man den Eindruck, dass für neue Geräte erst neue Bedürfnisse geschaffen werden müssen. Nicht so beim Q8. Die Zoom-Entwickler passten ihr neues Modell User-Bedürfnissen an. Ihr Wahlspruch: «We're for creators». So kann der Q8 z.B. als Webcam, für Live-Streaming oder auch nur als USB-Mikrofon eingesetzt werden (für die ersten beiden Funktionen stellt Zoom eine Gratissoftware für Mac und Windows im Netz zur Verfügung).
Eines der drei Belichtungsprogramme (Auto, Concert Lighting und Night) deutet auf den Einsatz als Konzertaufzeichnungsgerät hin, wo der Tonqualität besondere Bedeutung zukommt. Und mit einem Apple Camera Connection Kit kann man den Q8 sogar mit einem iPad verwenden.
Bedienungselemente
Ein Volumenregler gehört zur Mikrofoneinheit, zwei weitere regeln die Comboeingänge. Mit den vier Tastern (L, R, 1, 2) schaltet man die vier Eingänge ein oder aus. Eine Play/Pause Taste sowie der (wichtige) Powerknopf befinden sich unter dem Minilautsprecher. Oben auf dem Q8 befindet sich der Start/Stopp-Taster für die Aufnahme (im Lieferumfangbild gut erkennbar). Die letzten zwei Funktionen sind auch über den Touchscreen erreichbar.
Audiomöglichkeiten
Hier alle Details aufzuzählen, würde zu weit führen. Wichtig scheint mir die Erwähnung, dass für eine perfekte Audioaufnahme optimale Einstellungen möglich sind, die jedoch selbst getätigt werden müssen. So stehen ein Limiter, ein Kompressor und gar ein Leveler (der leise und laute Passagen angleicht) zur Verfügung, allerdings ohne Feineinstellungsmöglichkeiten.
Dass man - wie bei anderen Zoom Produkten - zusätzlich zu den auswechselbaren Hauptmikrofonen auch noch professionelle Anschlüsse für zwei externe Quellen hat (es können Mikrofone mit oder ohne Phantomspeisung angeschlossen, oder z.B. der Linienausgang eines Mixers direkt eingespeist werden) ist natürlich speziell und hebt den Q8 aus der Masse der Konkurrenz.
Die Audioeinstellmöglichkeiten sind vielseitig, bleiben jedoch trotzdem einfach und übersichtlich.
Zu beachten ist, dass bei Verwendung von phantomgespiesenen Mikrofonen die Batteriebetriebsdauer verkürzt wird.
Im technischen Überblick oben kurz erwähnt, für nachzubearbeitende Aufnahmen jedoch praktisch (und für einen Camcorder wahrscheinlich einmalig): Neben der herkömmlichen Video+Audio Kombi-Datei (Einstellung MOV) kann der Q8 eine separate Audiospur (MOV+WAV) von max 48 kHz/24 bit aufzeichnen.
Der Q8 kann aber auch als reiner Audiorecorder (ohne Video) verwendet werden, entweder 2- oder 4-kanalig mit max. 96 kHz/24 bit.
Im Einsatz
Natürlich
ist alle Theorie grau und sämtliche technischen Daten Informationen,
die nicht viel über die wirklichen Qualitäten und Schwächen aussagen.
Deshalb sind Erfahrungsberichte wichtig. Hier mein persönlicher:
Der
Q8 mutet seltsam an: Die Mikrofoneinheit, die hochgeklappt werden muss,
das eher simple Design des Gehäuses, das gewölbte Objektiv auf der
Front … zumindest ungewöhnlich. Doch er liegt nicht schlecht in der Hand
und ist mit 380 Gramm ein Leichtgewicht. Auf dem Tisch kippt er bei
geöffnetem Display jedoch schnell mal zur Seite.
Dann
kommen ein paar Umdenker: Wenn man das LC-Display öffnet, geschieht
noch gar nichts. Man muss den Powerknopf drücken, um den Q8 zu starten.
Ausschalten geht nur über ein längeres Drücken des Powertasters - dann
meldet sich der Q8 ab.
Kann man mit den meisten Camcordern gleich
loslegen (wie bei Point&Shoot Kameras), empfiehlt es sich beim Q8,
vor den Aufnahmen gewisse Einstellungen zu tätigen.
Audio: Der
Eingangsregler auf dem Mikrofon muss den Umständen angepasst werden - es
gibt keine automatische Aussteuerung. Zudem ist das Aktivieren des
Limiters in vielen Fällen empfehlenswert.
Video: Je nach Situation sollte man zwischen «Auto» oder «Concert» wählen, in Extremfällen kann «Night» etwas bringen.
Gut
ist, dass man im Stand-by Modus klar und deutlich sieht, wie lange man
mit der SD-Karte noch aufzeichnen kann. Wechselt man in den Rec-Modus,
wird in roter Schrift angezeigt, wie lange man eben aufnimmt.
Livetest
Um den Q8 live zu testen, konnte ich einer Probe des Variaton-Orchesters beiwohnen. Zusammen mit dem «Chor im Breitsch» studierten sie in der Dampfzentrale in Bern die Planeten Suite «Ad Astra» von Gustav Holst ein.
Der Q8 war auf ein Stativ montiert, die Distanz zum Dirigenten betrug ca. 6 m. Für die Belichtungseinstellung wählte ich (wen wundert's) «Concert». Versuche mit Auto und Night ergaben vor allem farblich nicht ideale Werte. Im (leider nicht eben berauschenden) Display ist ein definitives Beurteilen kaum möglich - das Bild wirkt ausgewaschen, farb- und kontrastarm. Glücklicherweise sieht im TV dann alles besser aus.
Als Aufnahmequalität wählte ich HD 1080, damit ein direkter Vergleich mit anderen Camcordern möglich war. Natürlich kam auch die höchste Auflösung für den Test zum Einsatz, doch fand ich kaum qualitative Unterschiede beim Betrachten des Endresultats, und das Format 3M HD wird z.B. von Final Cut nicht verstanden und muss zum Bearbeiten in 2K gewandelt werden.
Zusätzlich machte ich auch noch ein paar Freihandaufnahmen (vergl. folgendes Videobeispiel), um näher an den Chor und die Musiker zu kommen.
Wie aus den Kurzbeispielen ersichtlich, sind Nahaufnahmen erstaunlich klar, die Orchesterübersicht aus Distanz gezwungenermassen etwas weniger detailliert.
Das Bild im Display wird mit einer beträchtlichen Verzögerung dargestellt. Da ich den Dirigenten sowohl live als auch auf dem Display sah, war dies etwas nervend. Doch in der Aufnahme waren Ton und Bild synchron.
Während meiner Konzertaufzeichnungen entleerte sich die Batterie schnell, zumindest visuell in der Displayanzeige. Die angegebenen zwei Stunden Laufzeit mögen in etwa stimmen, doch ist dies recht knapp für eine Live-Aufnahme. Man sollte also für solche Fälle das externe Lade-/Netzgerät anschaffen, damit man den Q8 am Netz betreiben kann. Oder sonst drängt sich die Anschaffung einer zweiten Batterie auf, die man jeweils vor dem Gig aufgeladen haben sollte.
Aufnahmen im Freien
Da die Mikrofone des Q8 besonders exponiert sind, muss man bei Aufnahmen im Freien unbedingt den beiliegenden Windschutz verwenden. Bei den beiden Zoom-Beispiel-Videos (weiter unten) hörte ich wunderbare Amselgesänge während den Aufnahmen. In der Datei waren diese völlig von Windgeräuschen überdeckt - ich hatte ohne Windschutz aufgezeichnet. Deshalb sind diese Videos mit wenig resp. ohne Ton.
Verbesserungswünsche
Einer der Schwachpunkte des Q8 ist bestimmt das Display: Im Freien spiegelt es zu stark, so dass kaum etwas erkennbar wird, im Schatten oder Innen wirkt das Bild ausgewaschen und der ideale Betrachtungswinkel ist klein.
Die Qualitätsunterschiede der fünf (digitalen) Zoomeinstellungen sind gross, wenn man die Aufnahmen auf einem Bildschirm vergleicht. Man sollte also, wenn immer möglich, in der «Originalauflösung», also im breitesten Weitwinkel aufzeichnen. Will man die Videos (wie hier auf avguide.ch) nur im Kleinformat wiedergeben, fällt der Qualitätsverlust nicht gleich ins Gewicht.
Schade finde ich, dass man nicht kontinuierlich zoomen kann, dass es nur sprunghaft möglich ist.
Die Bedienung des digitalen Zooms ist etwas umständlich, muss man doch mehrmals auf den Screen tippen, bis sich die Bildgrösse verändert: 1 x = die Funktionstasten werden sichtbar, 1 x z.B. auf Plus = im Display werden 2 - 5 Tännchen für eine Sekunde sichtbar. Tippt man während dieser Sekunde wieder auf das Plus-Icon, vergrössert sich das Bild; verpasst man die Sekunde, muss man erst wieder die «Tännchen» aktivieren und nochmals auf Plus tippen.
Beim Hinweis «Aufladen der Batterie» fand ich noch folgenden Satz: Lassen Sie das Kabel nicht länger angeschlossen, nachdem die Ladung abgeschlossen ist. Wirklich? Wer will schon mehrere Stunden den Q8 überwachen und warten, bis die rote Lade-LED erlischt?!
Was denn nun?
Irgendwie ist der Q8 weder Fisch noch Vogel, weder ActionCam noch Camcorder. Eigentlich will er beides sein, doch für mich ist er eher ein aussergewöhnlicher und vielseitiger digitaler Audiorecorder mit zusätzlichen Videomöglichkeiten. Denn als ActionCam ist er zu gross und zu unhandlich und für einen echten Camcorder sind die Bildgestaltungsmöglichkeiten zu gering, die Bildqualität nicht überzeugend genug.
Und doch fasziniert mich der Q8:
Als Musiker würde ich
ihn als idealen Konzert-/Live Gig-Aufzeichner einsetzen. Nahe an der
Bühne eingesetzt (ideal für gute Audioaufnahmen), da er dank dem
extremen Weitwinkel immer noch die ganze Action im Bild festhalten kann.
Ideal dürfte er auch für You Tube Instruktionsvideos sein: Klarer Sound
bei weitwinkligem Überblick.
Fazit
Zoom hat mit dem Q8 eine mögliche Marktlücke gefüllt. Zwar ist der Q8 weder für Action-Fans noch für Ferienfilmer ideal, doch gibt es, wie oben erwähnt, genügend Anwendungen, in denen ein guter Ton ein vernüftiges Bild ideal ergänzt.
Klar ist, dass die Stärke der Firma Zoom nach wie vor im Audiobereich liegt, Video eher die Zugabe ist. In diesem Segment ist bei Zoom noch Entwicklungspotential vorhanden.
Onlinelink:
http://www.avguide.ch/testbericht/audiophiles-fischauge-test-zoom-q8-camcorder