Audiophiles Fischauge

Test Zoom Q8 Camcorder

Publiziert am 22. Juni 2015 - Christian Hunziker
Zoom Q8

Die japanische Firma Zoom steht für mich für Innovation. Spätestens seit meinem Test des H4N Recorders begeistern mich die Benutzerfreundlichkeit, die Qualität und nicht zuletzt das erfreuliche Preis-Leistungsverhältnis der Zoom Produkte. Deshalb war ich gespannt auf den Q8 Camcorder, der im Januar auf der CES in Las Vergas erstmals vorgestellt worden war.

Das Aussergewöhnliche

Um im grossen Angebotsfeld der aktuellen Camcorder/Actionkameras eine Nische zu finden, muss man Aussergewöhnliches bieten. Zoom hat ihr Audio-Knowhow in einen (weiteren) Weitwinkelcamcorder einfliessen lassen, hat den Q4 nach den User-Wünschen nach oben angepasst.

So entstand der flexiblere Q8, der vor allem auf der Audioseite Aussergewöhliches bietet: Das eigenwillig platzierte Stereomikrofon kann dank dem modularen Anschluss mit allen Zoom Mik Modulen ausgetauscht werden, die für die H5 und H6 Recorder erhältlich sind.

Die Mikrofoneinheit lässt sich - ohne Werkzeug - rasch austauschen.

Im weiteren stehen nun - wie schon beim H4N - zwei symmetrische Kombi-Eingänge zur Verfügung. Somit kann man, separat zur üblichen Videodatei, vier Audiokanäle zusammenmischen. Und der Q8 kann auch als «Nur»-Audiorecorder mit bis zu vier Kanälen verwendet werden.

Neben den für einen Camcorder aussergewöhnlichen Combobuchsen finden wir auf der Rückseite den Kopfhörer-/Linienausgang, den MicroHDMI-Ausgang sowie die USB-Buchse.

Doch beginnen wir beim Anfang.

Technischer Überblick

Hier die wichtigsten Eigenschaften des Q8:

Wie in diesem Segment üblich, zeichnet der Q8 auf SD-Karten auf, wobei SD, SDHC und SDXC Karten bis 128 GB verwendet werden können (ein Faltblatt, das die «betriebsichersten» Karten auflistet, liegt dem Q8 bei).
Das Fixfokus-Objektiv (36 cm bis ∞) hat eine Lichtstärke von 2.0 und eine Brennweite von umgerechnet 16,6 mm (entspricht einem Aufnahmewinkel von 160º).
Der Q8 verfügt über einen 5-stufigen Digitalzoom (keinen optischen).
Bildsensor: 1/3" CMOS mit 3 Megapixel.
Video-Auflösungen: 3M HD (2304 x 1296 Px) 30 fps,  HD (1080 Pxl) 30 fps, HD (720 Px) 60 fps, HD (720 Px) 30 fps, WVGA 60 fps, WVGA 30 fps.
Videoformat: MPEG-4 AVC / H.264 im mov Container.
Audioformate: WAV (16 oder 24 Bit, 44,1/48/96 kHz), AAC (64 – 320 kbps, 48 kHz)
Display: farbiger 2,7" LCD-Touchscreen
Eingangsbuchsen: Input 1/2: Combo TRS / XLR mit zuschaltbarer, variabler Phantomspeisung.
Anschlüsse: Mini-Stereo-Klinkenbuchse Line Out/Kopfhörer, Mikro-HDMI Typ D, Mini-USB Typ B
Die Stromversorgung erfolgt über einen Lithium-Ionen-Akku mit 1700 mAh Kapazität. Der Akku wird über den USB-Anschluss geladen, entweder via Computer oder separat erhältlichem Netzteil. Als Akkulaufzeit werden rund 2 h angegeben.

Im Lieferumfang ist beinahe alles enthalten, was man braucht. Nur eine SD-Karte fehlt.

Mitgeliefertes Zubehör: Abnehmbares X/Y-Stereomikrofon (XYQ-8), Schaumstoff-Windschutz, Lithium-Ionen-Akku (BT-03), USB-Kabel (1 m), Adapter für Actioncam-Halterungen, Objektivdeckel, Streulichtblende, Handschlaufe sowie drei gedruckte Bedienungsanleitungen (D, F, E).

Was NICHT mitgeliefert wird, ist eine SD-Karte. Es ist also nicht möglich, nach dem Aufladen des Akkus (volles Aufladen dauert zwischen 2,75 (Netzteil) und 4,5 Stunden (Computer)) gleich loszulegen.

Einsatzideen

Oft hat man den Eindruck, dass für neue Geräte erst neue Bedürfnisse geschaffen werden müssen. Nicht so beim Q8. Die Zoom-Entwickler passten ihr neues Modell User-Bedürfnissen an. Ihr Wahlspruch: «We're for creators». So kann der Q8 z.B. als Webcam, für Live-Streaming oder auch nur als USB-Mikrofon eingesetzt werden (für die ersten beiden Funktionen stellt Zoom eine Gratissoftware für Mac und Windows im Netz zur Verfügung).

Eines der drei Belichtungsprogramme (Auto, Concert Lighting und Night) deutet auf den Einsatz als Konzertaufzeichnungsgerät hin, wo der Tonqualität besondere Bedeutung zukommt. Und mit einem Apple Camera Connection Kit kann man den Q8 sogar mit einem iPad verwenden.

Bedienungselemente

Der Q8 kommt mit wenigen Reglern und Knöpfen aus, da die meisten Funktionen über den Touchscreen erreicht werden.

Ein Volumenregler gehört zur Mikrofoneinheit, zwei weitere regeln die Comboeingänge. Mit den vier Tastern (L, R, 1, 2) schaltet man die vier Eingänge ein oder aus. Eine Play/Pause Taste sowie der (wichtige) Powerknopf befinden sich unter dem Minilautsprecher. Oben auf dem Q8 befindet sich der Start/Stopp-Taster für die Aufnahme (im Lieferumfangbild gut erkennbar). Die letzten zwei Funktionen sind auch über den Touchscreen erreichbar.

Audiomöglichkeiten

Hier alle Details aufzuzählen, würde zu weit führen. Wichtig scheint mir die Erwähnung, dass für eine perfekte Audioaufnahme optimale Einstellungen möglich sind, die jedoch selbst getätigt werden müssen. So stehen ein Limiter, ein Kompressor und gar ein Leveler (der leise und laute Passagen angleicht) zur Verfügung, allerdings ohne Feineinstellungsmöglichkeiten.

Dass man - wie bei anderen Zoom Produkten - zusätzlich zu den auswechselbaren Hauptmikrofonen auch noch professionelle Anschlüsse für zwei externe Quellen hat (es können Mikrofone mit oder ohne Phantomspeisung angeschlossen, oder z.B. der Linienausgang eines Mixers direkt eingespeist werden) ist natürlich speziell und hebt den Q8 aus der Masse der Konkurrenz.

Die Audioeinstellmöglichkeiten sind vielseitig, bleiben jedoch trotzdem einfach und übersichtlich.

Durch antippen des Displays öffnet sich das entsprechende Fenster, in dem Veränderungen vorgenommen werden können.

Zu beachten ist, dass bei Verwendung von phantomgespiesenen Mikrofonen die Batteriebetriebsdauer verkürzt wird.

Im technischen Überblick oben kurz erwähnt, für nachzubearbeitende Aufnahmen jedoch praktisch (und für einen Camcorder wahrscheinlich einmalig): Neben der herkömmlichen Video+Audio Kombi-Datei (Einstellung MOV) kann der Q8 eine separate Audiospur (MOV+WAV) von max 48 kHz/24 bit aufzeichnen.

Der Q8 kann aber auch als  reiner Audiorecorder (ohne Video) verwendet werden, entweder 2- oder 4-kanalig mit max. 96 kHz/24 bit.

Im Einsatz

Natürlich ist alle Theorie grau und sämtliche technischen Daten Informationen, die nicht viel über die wirklichen Qualitäten und Schwächen aussagen. Deshalb sind Erfahrungsberichte wichtig. Hier mein persönlicher:

Der Q8 mutet seltsam an: Die Mikrofoneinheit, die hochgeklappt werden muss, das eher simple Design des Gehäuses, das gewölbte Objektiv auf der Front … zumindest ungewöhnlich. Doch er liegt nicht schlecht in der Hand und ist mit 380 Gramm ein Leichtgewicht. Auf dem Tisch kippt er bei geöffnetem Display jedoch schnell mal zur Seite.

Bei geöffnetem Display verliert der Q8 öfter mal das Gleichgewicht.

Dann kommen ein paar Umdenker: Wenn man das LC-Display öffnet, geschieht noch gar nichts. Man muss den Powerknopf drücken, um den Q8 zu starten. Ausschalten geht nur über ein längeres Drücken des Powertasters - dann meldet sich der Q8 ab.

Kann man mit den meisten Camcordern gleich loslegen (wie bei Point&Shoot Kameras), empfiehlt es sich beim Q8, vor den Aufnahmen gewisse Einstellungen zu tätigen.
Audio: Der Eingangsregler auf dem Mikrofon muss den Umständen angepasst werden - es gibt keine automatische Aussteuerung. Zudem ist das Aktivieren des Limiters in vielen Fällen empfehlenswert.
Video: Je nach Situation sollte man zwischen «Auto» oder «Concert» wählen, in Extremfällen kann «Night» etwas bringen.

Gut ist, dass man im Stand-by Modus klar und deutlich sieht, wie lange man mit der SD-Karte noch aufzeichnen kann. Wechselt man in den Rec-Modus, wird in roter Schrift angezeigt, wie lange man eben aufnimmt.

Livetest

Um den Q8 live zu testen, konnte ich einer Probe des Variaton-Orchesters beiwohnen. Zusammen mit dem «Chor im Breitsch» studierten sie in der Dampfzentrale in Bern die Planeten Suite «Ad Astra» von Gustav Holst ein.

Der Q8 war auf ein Stativ montiert, die Distanz zum Dirigenten betrug ca. 6 m. Für die Belichtungseinstellung wählte ich (wen wundert's) «Concert». Versuche mit Auto und Night ergaben vor allem farblich nicht ideale Werte. Im (leider nicht eben berauschenden) Display ist ein definitives Beurteilen kaum möglich - das Bild wirkt ausgewaschen, farb- und kontrastarm. Glücklicherweise sieht im TV dann alles besser aus.

Als Aufnahmequalität wählte ich HD 1080, damit ein direkter Vergleich mit anderen Camcordern möglich war. Natürlich kam auch die höchste Auflösung für den Test zum Einsatz, doch fand ich kaum qualitative Unterschiede beim Betrachten des Endresultats, und das Format 3M HD wird z.B. von Final Cut nicht verstanden und muss zum Bearbeiten in 2K gewandelt werden.

Zusätzlich machte ich auch noch ein paar Freihandaufnahmen (vergl. folgendes Videobeispiel), um näher an den Chor und die Musiker zu kommen.

Wie aus den Kurzbeispielen ersichtlich, sind Nahaufnahmen erstaunlich klar, die Orchesterübersicht aus Distanz gezwungenermassen etwas weniger detailliert.

Das Bild im Display wird mit einer beträchtlichen Verzögerung dargestellt. Da ich den Dirigenten sowohl live als auch auf dem Display sah, war dies etwas nervend. Doch in der Aufnahme waren Ton und Bild synchron.

Während meiner Konzertaufzeichnungen entleerte sich die Batterie schnell, zumindest visuell in der Displayanzeige. Die angegebenen zwei Stunden Laufzeit mögen in etwa stimmen, doch ist dies recht knapp für eine Live-Aufnahme. Man sollte also für solche Fälle das externe Lade-/Netzgerät anschaffen, damit man den Q8 am Netz betreiben kann. Oder sonst drängt sich die Anschaffung einer zweiten Batterie auf, die man jeweils vor dem Gig aufgeladen haben sollte.

Aufnahmen im Freien

Da die Mikrofone des Q8 besonders exponiert sind, muss man bei Aufnahmen im Freien unbedingt den beiliegenden Windschutz verwenden. Bei den beiden Zoom-Beispiel-Videos (weiter unten) hörte ich wunderbare Amselgesänge während den Aufnahmen. In der Datei waren diese völlig von Windgeräuschen überdeckt - ich hatte ohne Windschutz aufgezeichnet. Deshalb sind diese Videos mit wenig resp. ohne Ton.

Gerüstet für Aussenaufnahmen mit Windschutz und Streulichtblende.

Verbesserungswünsche

Einer der Schwachpunkte des Q8 ist bestimmt das Display: Im Freien spiegelt es zu stark, so dass kaum etwas erkennbar wird, im Schatten oder Innen wirkt das Bild ausgewaschen und der ideale Betrachtungswinkel ist klein.

Das Display des Q8 ist verbesserungsfähig (hier mit den beim Antippen erscheinenden Menü-Icons): Entweder ist es milchig mit wenig Kontrast …
… oder im Freien ist kaum etwas zu sehen, da es spiegelt.

Die Qualitätsunterschiede der fünf (digitalen) Zoomeinstellungen sind gross, wenn man die Aufnahmen auf einem Bildschirm vergleicht. Man sollte also, wenn immer möglich, in der «Originalauflösung», also im breitesten Weitwinkel aufzeichnen. Will man die Videos (wie hier auf avguide.ch) nur im Kleinformat wiedergeben, fällt der Qualitätsverlust nicht gleich ins Gewicht.

Schade finde ich, dass man nicht kontinuierlich zoomen kann, dass es nur sprunghaft möglich ist.

Die Bedienung des digitalen Zooms ist etwas umständlich, muss man doch mehrmals auf den Screen tippen, bis sich die Bildgrösse verändert: 1 x = die Funktionstasten werden sichtbar, 1 x z.B. auf Plus = im Display werden 2 - 5 Tännchen für eine Sekunde sichtbar. Tippt man während dieser Sekunde wieder auf das Plus-Icon, vergrössert sich das Bild; verpasst man die Sekunde, muss man erst wieder die «Tännchen» aktivieren und nochmals auf Plus tippen.

Beim Hinweis «Aufladen der Batterie» fand ich noch folgenden Satz: Lassen Sie das Kabel nicht länger angeschlossen, nachdem die Ladung abgeschlossen ist. Wirklich? Wer will schon mehrere Stunden den Q8 überwachen und warten, bis die rote Lade-LED erlischt?!

Was denn nun?

Irgendwie ist der Q8 weder Fisch noch Vogel, weder ActionCam noch Camcorder. Eigentlich will er beides sein, doch für mich ist er eher ein aussergewöhnlicher und vielseitiger digitaler Audiorecorder mit zusätzlichen Videomöglichkeiten. Denn als ActionCam ist er zu gross und zu unhandlich und für einen echten Camcorder sind die Bildgestaltungsmöglichkeiten zu gering, die Bildqualität nicht überzeugend genug.

Das Batteriefach befindet sich auf der Seite, die SD Karte wird unten eingeführt. Die Stativmontage ist einfach möglich und entspricht der Norm.

Und doch fasziniert mich der Q8:
Als Musiker würde ich ihn als idealen Konzert-/Live Gig-Aufzeichner einsetzen. Nahe an der Bühne eingesetzt (ideal für gute Audioaufnahmen), da er dank dem extremen Weitwinkel immer noch die ganze Action im Bild festhalten kann. Ideal dürfte er auch für You Tube Instruktionsvideos sein: Klarer Sound bei weitwinkligem Überblick.

Fazit

Zoom hat mit dem Q8 eine mögliche Marktlücke gefüllt. Zwar ist der Q8 weder für Action-Fans noch für Ferienfilmer ideal, doch gibt es, wie oben erwähnt, genügend Anwendungen, in denen ein guter Ton ein vernüftiges Bild ideal ergänzt.

Ideal als Konzertdokumentierer.

Klar ist, dass die Stärke der Firma Zoom nach wie vor im Audiobereich liegt, Video eher die Zugabe ist. In diesem Segment ist bei Zoom noch Entwicklungspotential vorhanden.

STECKBRIEF
Modell:
Q8
Profil:
Fixfokus Weitwinkel Videorecorder mit austauschbarem Mikrofonteil und ausserordentlich gut ausgestattetem Audioteil. Kann auch als "nur"-Audiorecorder oder als USB Audiointerface verwendet werden.
Pro:
klein, handlich, aussergewöhnliche Audio-Möglichkeiten
Contra:
Weder Action- noch Ferienfilmkamera
Preis:
429.00 CHF
Hersteller:
Jahrgang:
2015
Vertrieb:
Masse:
478 x 119 x 157 mm
Gewicht:
0.340 kg
Farbe:
schwarz
Analog Input:
2 Combobuchsen
Analog Output:
Kopfhörer/Line (Miniklinke)
Auflösung:
max. 24 kHz/96 bit
Aufnahmedistanz:
36 cm bis unendlich
Bildsensor:
1/3 CMOS
Brennweite:
16,6 mm (35 mm KB)
Digitalzoom:
5 Stufen
Empfindlichkeit:
F 2.0
LCD Monitor:
2,7 Zoll Touchscreen
Objektiv:
Fixfokus
Pixel:
3 MP
Schnittstelle:
USB
Speichermedien:
SD, SDHC, SDXC
Video Out:
Micro HDMI
Videoaufnahme:
MPEG-4 AVC/H.264 (MOV)

Onlinelink:
http://www.avguide.ch/testbericht/audiophiles-fischauge-test-zoom-q8-camcorder